Kooperation des Design Research Labs (UdK Berlin) und der Nachbarschaftsakademie (Common Grounds)

im Projekt MAZI (EU H2020)

Soziale und politische Prozesse werden zunehmend digitalisiert und von technologischen Aspekten durchzogen. Zwischen den verschiedenen Narrativen zur hybriden oder „smart city“, zwischen dystopischen Visionen und cyber-romantischen Heilsversprechen offenbart sich die Gewissheit der rasant steigenden Bedeutung der technologischen Vermittlung und Transformation unserer urbanen Wirklichkeiten.

Das EU-geförderte Verbundprojekt MAZI (CAPS/H2020) und darin die Berliner Partnerschaft zwischen dem Design Research Lab (UdK) und der Nachbarschaftsakademie im Prinzessinnengarten (Common Grounds e.V.) erforscht die Zusammenhänge zwischen Netzwerktechnologien, bürgerschaftlichem Handeln und informellem Lernen. Als Gegenentwurf zu den populären Erzählformen über die Stadt der Zukunft, welche maßgeblich von einigen wenigen, globalenTechnologieunternehmen geprägt werden, möchte das Projekt die Möglichkeiten erkunden, die Beziehung von Technologie und Stadt von unten zu denken und an den vielfältigen Anforderungen für bürgerschaftlichen Engagement auszurichten. Hierbei verschiebt sich der Fokus von Sensoren auf Sinne, von global zirkulierenden Informationsströmen auf lokale Offline-Netzwerke, von multinationalen Konzernen auf DIY, Gemeinschaften und lokale Akteure.

Begriffe wie DIY Networking, Offline Networks oder Community Wireless Networks verweisen auf ein Sammelsurium konzeptioneller Ansätze, welche die Verwendung handelsüblicher und erschwinglicher Wireless-Technologien für die Errichtung von alternativen und lokalen Kommunikationssystemen gemein haben. Diese Systeme agieren außerhalb des Internets und sind im Besitz und in der Kontrolle ihrer jeweiligen Nutzerinnen; sie sind einfach zu errichten und eignen sich aufgrund ihrer lokalen Begrenzung zur virtuellen Verbindung von Individuen und Gruppen, die sich in physischer Nähe zueinander befinden. Die Reichweite lässt sich, abhängig von der jeweils eingesetzten Technik, zwischen einem Radius von 20 Metern und einer ganzen Stadt skalieren.

Neben der besonderen Bedeutung des Lokalen erlaubt ebenjene Begrenzung ein gesteigertes Maß an Privatsphäre und Autonomie: Während etwa bei „konventionellen“ Messenger-Apps alle Datenströme durch gigantische Rechenzentren in Alaska oder Hawaii fließen, um in unserer Wahrnehmung zwei Kilometer weiter wieder anzukommen, sind und verbleiben alle Daten in Offline-Netzwerken im Besitz der Community, und sind ohne teure Datenpläne nutzbar. Zudem ermöglicht und begünstigt die finanzielle, strategische und politische Unabhängigkeit von nicht-gewinnorientierten Kommunikationskonzepten das Experimentieren mit alternativen Nutzerschnittstellen für die Entwicklung von neuartigen, inklusiveren Zugänge zu Informations- und Kommunikationstechnologien.

Mit diesen Charakteristika ergibt sich eine Vielzahl neuer Perspektiven, etwa auf den netzwerkgestützten Austausch von Informationen, auf die vielschichtige Annotation von Orten, auf die Möglichkeiten zur Versorgung lokaler Netzwerke mit hybriden Infrastrukturen, auf die raumzeitlich entzerrte Vernetzung lokaler Akteure und schlussendlich auf Konzepte wie Wissenstransfer, Befähigung, Inklusion und Autorschaft.

Die Verbindung solcher DIY-Netzwerke in Community-Hand weist zahlreiche Überschneidungen mit neuen selbstorganisierten Formen zivilgesellschaftlichen Engagements auf. Diese sind häufig getragen von Bottom-Up-Ansätzen, Partizipation und Ideen zu einem gemeinschaftlichen Sorge der Resourcen einer Gemeinschaft (Commons / Gemeingüter). Sie stehen für Ökonomien und Politiken, die an lokalen Bedürfnissen und direkter Beteiligung ebenso wie an langfristigen gemeinwohlorientierten Zielen ausgerichtet sind.

Die Nachbarschaftsakademie im Prinzessinnengarten

Die Nachbarschaftsakademie im Prinzessinnengarten ist eine selbstorganisierte offene Plattform des Wissensaustausches, der kulturellen Praxis und des Aktivismus in Stadt und Land. Sie ist eine Lern- und Kulturort neuen Typs, der unterschiedliche Disziplinen, Arbeitsweisen und Fragestellungen, Stadt und Land, Lokales und Globales, Kunst und gesellschaftliches Engagement kombiniert. Diese Akademie von unten mischt unterschiedliche Wissens- und Erfahrungsformen: nicht-standardisiertes Wissen, händisches Können, sinnliche Darstellungsweisen, forschende Methoden. In ihr finden Menschen, Organisationen und Projekte aus unterschiedlichen Nachbarschaften zusammen. Die Lehrenden und Lernenden können ebenso aus Kreuzberg und dem Oderbruch kommen wie aus Detroit oder ländlichen Regionen Griechenlands. Die Akademie im Prinzessinnengarten stellt neue Nachbarschaften her. Die eingeladenen Initiativen arbeiten kooperativ an geteilten Fragestellungen und tragen mit sogenannten Manuals – einfachen Handlungsleitfäden – zu einem für alle Interessierten zugänglichen und nutzbaren offenen Archiv des Engagements bei.

Die Nachbarschaftsakademie ist ein Ort ohne Zugangsbeschränkungen. Sie vergibt keine Diplome. Sie macht Wissen und Erfahrungen für selbstorganisierte Räume in Stadt und Land zugänglich und stiftet neue Sichtweisen und Erzählungen. Ihre Methoden sind ebenso vielfältig wie die Menschen, die wir mit ihr ansprechen wollen: sie reichen vom gemeinsamen Kochen, öffentlichen Gesprächen und Filmabenden über selbstorganisierte Workshops und Spaziergänge bis zu künstlerischen Interventionen und Expertenbeiträgen.

Programm der Nachbarschaftsakademie 2016: „Kollektives Lernen, Commoning und Sorgetragen für das Mögliche“

Eine Gegenwart weitreichender sozialer und ökologischer Herausforderungen verlangt nach einem Nachdenken darüber, wie wir in und für die Zukunft lernen wollen. Künstlerische Praktiken können als eine Form kollektiven Lernens verstanden werden. Kunst vermag neue Form des Hinsehens, Nachdenkens, Erforschens, Zeigens und Erzählens zu entwickeln. In welcher Form können solche künstlerischen Methoden und Ausdrucksformen als Werkzeuge der Analyse, des Handelns und des Engagements verstanden werden? Wie kann ein Austausch und ein wechselseitiges Lernen zwischen künstlerischer Praxis und anderen gesellschaftlichen Feldern aussehen? Was für neuartige, hybride und partizipative Plattformen jenseits von Vorlesungssaal und Galerie benötigen wir, um dieser
wechselseitigen und diziplinenüberschreitenden Befruchtung einen Raum zu eröffnen? Diesen Fragen soll sich im Sommer 2016 das Programm „Kollektives Lernen, Commoning und die Sorge für das Mögliche“ der Nachbarschaftsakademie widmen, das sich aus einer Reihe künstlerischer Workshops und öffentlicher Veranstaltungen zusammensetzt. Die Nachbarschaftsakademie lädt KünstlerInnen und kulturelle PraktikerInnen ein, die sich aktiv und in wegweisender Form in ihrem lokalen Umfeld engagieren und die in unterschiedlichsten Formen zu lokalen und kollektiven Lernprozessen beitragen. Ob explizit oder implizit, sie tragen mit ihrer Arbeit dazu bei, das Bewußtsein unserer Zeit zu schärfen und nach neuen, veränderungsermöglichenden Narrativen zu suchen.

Ort: Die Laube im Prinzessinnengarten

Als physischer Ort der Nachbarschaftsakademie und des MAZI-Projektes ist im Sommer 2016 in Zusammenarbeit mit dem Büro fatkoehl architekten und unterstützt von der Bundesumweltstiftung eine experimentelle Architektur entstanden. Der im partizipativem Selbstbau entstandene dreistöckige Holzrahmenbau bietet Räume für öffentliche Veranstaltungen, Ateliers und Workshops. Gleichzeitig stellt die „Laube im Prinzessinnengarten“ einen weithin sichtbaren, öffentlich begehbaren vertikalen Garten dar.